Do 3. Feb 2022, 17:45
Ist die Zweite "Person" der Trinität am Kreuz gestorben?
Wir bejahen.
Zunächst müssen wir die Unterscheidung zwischen wesensgemäßer und "personen"gerechter Sprache im Auge behalten, d.h. wesentliche versus relative Prädikation. Wir könnten also sagen, daß der Sohn und der Geist in Bezug auf ihre "Person" a Patre (vom Vater) sind, aber in Bezug auf ihr Wesen ein per se (von selbst,aus sich heraus).
Ein padre (wörtlich "vom Vater") bezieht sich darauf, wie sich die "Personen" des Sohnes und des Geistes auf den Vater beziehen - sie sind von Ihm. Das sehen wir zum Beispiel in Johannes
Denn wie der Vater das Leben in sich selbst hat, so hat er auch dem Sohn verliehen, das Leben in sich selbst zu haben. Ich aber habe ein Zeugnis, das größer ist als das des Johannes; denn die Werke, die mir der Vater gab, dass ich sie vollbringe, eben die Werke, die ich tue, geben Zeugnis von mir, dass der Vater mich gesandt hat. Joh.5,26 .36
Dies bedeutet nicht, daß der Sohn und der Geist in gleicher Weise ein Vater sind. Der Sohn ist von Ewigkeit her vom Vater gezeugt, während der Geist von Ewigkeit her aus dem Vater (und dem Sohn!) hervorgeht.
Andererseits bezieht sich per se (wörtlich "aus sich selbst") darauf, daß die eine g-ttliche Natur des Vaters, des Sohnes und des Geistes völlig selbstgenügsam ist. G-tt ist auf nichts außerhalb von G-tt angewiesen, um G-tt zu sein. Dies gilt gleichermaßen für die "Person" des Vaters, des Sohnes und des Geistes, denn sie sind ein G-tt, "gleich an Substanz, gleich an Macht und Herrlichkeit" (Der kürzere Westminster Katechismus; Frage 6).
Daher haben reformierte Theologen diese Unterscheidung im Großen und Ganzen verwendet, um eine Einheit des Wesens aufrechtzuerhalten, aber auch eine Beziehungsordnung in Bezug auf die drei "Personen" zu bekräftigen.
Daher erklärt eine "personen"gerechte Sprache, warum wir sagen können, daß nicht der Vater am Kreuz gestorben ist, sondern der Sohn.
Wenn wir bestätigen, wie wir sollten, daß G-tt die Gemeinde mit Seinem Blut erkauft hat; vgl. Apg.20,28, sagen wir im Wesentlichen, daß G-tt die Gemeinde mit Seinem Tod erkauft hat. Warum sollte es uns nicht erlaubt sein zu sagen, was die Schrift ausdrücklich lehrt?
Das Geheimnis und die Herrlichkeit des Evangeliums verlangen, daß wir Dinge sagen, die möglicherweise mißverstanden werden können.
Einige befürchten, daß dies bedeutet, daß die G-ttheit gelitten hat, und schrecken daher davor zurück, zu behaupten, daß der Sohn G-ttes (die zweite "Person") am Kreuz gestorben ist. Aber wie gesagt, das ist falsch und entspricht nicht der klassischen Christologie.
Die Form der Rede ist das, was anerkannt werden muß. Wir können sagen, daß G-tt gemäß der menschlichen Natur gestorben ist. So weit, ist es gut. Die am Kreuz gelittene G-ttheit zu sagen, ist falsch. Das Abstrakte (d.h. die G-ttheit) ist die g-ttliche Essenz, die nicht sterben kann. Aber wenn wir vom Sterben des Sohnes G-ttes sprechen, sprechen wir über das Konkrete (den Namen der "Person", die der G-ttmensch ist).
Wir müssen sagen, daß die "Person" gestorben ist, keine Natur. Die "Person" am Kreuz, die gestorben ist, ist Jesus, der Sohn G-ttes.
Dieser Lehrpunkt (d.h. die
communicatio idiomatum) (Gemeinschaft von Eigenschaften) war eine Streitquelle zwischen reformierten Theologen und verschiedenen römisch-katholischen Schriftstellern, wie Robert Bellarmine (1542-1621), der die Ansicht vertrat, daß Christus Seine Mittlerschaft nur als Mensch ausführte.
Als Antwort darauf argumentierten reformierte Theologen, daß, wenn nur die menschliche Natur Christi vermittelt hätte, ein anderer Mensch vor und nach der Inkarnation mit gleicher Wirksamkeit hätte vermitteln können. Indem sie das Wesen Christi in der Einheit Seiner "Person" verankerten, weigerten sich reformierte Theologen, von Christi Vermittlungswerk einfach als dem Werk eines Menschen zu sprechen. Nein: Das Mittlerwerk Christi war das Werk des am Kreuz gestorbenen Sohnes G-ttes.
Wir können also nicht sagen, daß die Versöhnung durch die menschliche Natur Christi bewirkt wurde. Das ist ein römisch-katholischer Irrtum. Naturen tun nichts im Abstrakten. Uns geht es um das Konkrete in allen Vermittlungshandlungen Christi: der Sohn tat dies oder der Sohn tat das. Die Sühne mußte von der "Person" geleistet werden, weil die Sühne einen unendlichen Wert haben mußte.
Können wir dann die Worte sagen: Wie kann es sein, daß du, mein G-tt, für mich sterben solltest?
Absolut. Wir sagen es konkret vom Sohn G-ttes, der uns geliebt hat und für uns gestorben ist
das lebe ich im Glauben an den Sohn G-ttes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat. Gal.2,20b
Weil in Christus G-ttheit und Menschlichkeit eine "Person" sind, schreibt die Schrift wegen dieser Personalunion auch alles, was der Menschheit widerfährt, der G-ttheit zu und umgekehrt.
Und so ist es auch in Wirklichkeit; denn die "Person" (gemeint ist Christus) leidet und stirbt. Jetzt ist die "Person" wahrer G-tt; darum heißt es mit Recht: Der Sohn G-ttes leidet. Denn obgleich der eine Teil (um es so zu sagen), nämlich die G-ttheit, nicht leidet, so leidet doch der Mensch, der G-tt ist, im anderen Teil, nämlich in Seiner Menschlichkeit; denn in Wahrheit ist G-ttes Sohn für uns gekreuzigt worden, das heißt die "Person", die G-tt ist.
In Seiner Natur kann G-tt nicht sterben; aber jetzt, da G-tt und Mensch in einer "Person" vereint sind, heißt es richtig G-ttes Tod, wenn der Mensch stirbt, der mit G-tt eine "Person" ist.
Daraus ergibt sich, daß es unrichtig ist zu sagen oder zu schreiben, daß die Ausdrücke (G-tt litt, G-tt starb) nur praedicationes verbales (verbale Behauptungen), also bloße Worte seien, und daß es in Wirklichkeit nicht so ist. Denn unser schlichter christlicher Glaube beweist, daß der Sohn G-ttes, der Mensch geworden ist, für uns gelitten hat, für uns gestorben ist und uns mit seinem Blut erlöst hat.